N°20 – Sexualisierte Gewalt
„Wenn Kinder nicht wissen, was sexualisierte Gewalt ist, haben sie keine Chance zu erkennen, dass sie Gewalt erfahren.“
Agota Lavoyer
In der zwanzigsten Folge des Podcasts «Bildungsreise» reist Damian nach Köniz und spricht mit Agota Lavoyer – Expertin und Beraterin für sexualisierte Gewalt sowie Autorin des Kinderfachbuchs «Ist das okay?». Gemeinsam sprechen sie über ein Thema, das oft hinter verschlossenen Türen geschieht, viel zu selten benannt wird – und dennoch viele Kinder betrifft: sexualisierte Gewalt. Im Zentrum stehen die Fragen, was genau darunter zu verstehen ist, wie wir Anzeichen erkennen – und wie wir Kinder wirksam schützen können.
Agota erklärt eindrücklich, was unter sexualisierter Gewalt zu verstehen ist: jede sexuelle Handlung an oder vor einem Kind – mit oder ohne Körperkontakt – immer verbunden mit dem Ausnutzen eines Machtgefälles. Dazu gehören auch sogenannte Hands-off-Delikte, etwa das Zeigen von Pornografie oder sexuelles Verhalten vor einem Kind. Wichtig ist: Kinder können niemals einwilligen. Es ist immer Gewalt – und die Verantwortung liegt allein bei den Erwachsenen.
In der Schweiz erlebt rund jedes siebte Kind sexualisierte Gewalt – die Dunkelziffer ist deutlich höher. Rund 90 Prozent der Übergriffe geschehen im nahen Umfeld, oft innerhalb der Familie. Umso wichtiger ist es, dass Erwachsene Kindern glauben, ihnen zuhören und auf ihre Signale achten. Täterinnen und Täter nutzen Vertrauen und Abhängigkeiten gezielt aus, um Kinder zum Schweigen zu bringen.
Schutz brauchen Kinder nicht nur offline, sondern auch in der digitalen Welt. Sexting und Cyber-Sexualdelikte wie Sextortion oder Cyber-Grooming gehören heute zur Lebenswelt vieler Kinder und Jugendlicher. Studien zeigen: Fast jedes zweite Kind in der Schweiz ist bereits mit unerwünschten sexuellen Inhalten im Netz konfrontiert worden.
Auch Kinder erzählen von unangenehmen Situationen, von Grenzverletzungen und von Gefühlen der Scham oder Hilflosigkeit. Ihre Aussagen machen deutlich: Kinder spüren sehr genau, wenn etwas nicht stimmt.
Was können Eltern, Bezugspersonen und Schulen konkret tun? Agota plädiert für eine offene Gesprächskultur – über Körperteile, Gefühle, Nähe und Distanz sowie über gute und schlechte Geheimnisse. Kinder müssen altersgerecht über sexualisierte Gewalt aufgeklärt werden. Gleichzeitig sind Erwachsene gefordert, sich Wissen anzueignen und Verantwortung zu übernehmen. Ebenso wichtig ist die Rolle der Schule: Lehr- und Betreuungspersonen müssen professionell mit Nähe umgehen, aufmerksam hinschauen, Verdachtsmomente dokumentieren und sich beraten lassen – ohne allein zu handeln.
Eine eindrückliche Folge, die zeigt: Sexualisierte Gewalt ist kein Randphänomen, sondern eine gesellschaftliche Realität. Kinder zu schützen bedeutet, Verantwortung zu übernehmen – von uns allen. Eine Reise für alle, die Kinder auf ihrem Lebensweg begleiten.
Agota Lavoyer
Expertin für sexualisierte Gewalt und Opferberatung